Authentizität und Realität vs. romantisierte Vorstellungen in Büchern

Was ist wichtiger: Die Realität so genau wie möglich abzubilden oder sich von seiner Fantasie leiten zu lassen?

Wenn man Krimis, Fantasy oder Science-Fiction schreibt, stellt sich diese Frage nicht bzw. nur in einem gewissen Maße (was z. B. die Technik betrifft). Wer jedoch wie ich Liebesromane schreibt oder liest, der hat sich diese Frage vielleicht schon einmal gestellt.

Einerseits möchten wir in andere Welten und Lebensrealitäten abtauchen, wenn wir zu einem Buch greifen. Doch kann das Lesevergnügen auch getrübt werden, wenn alles nur “Friede, Freude, Eierkuchen” ist? Fehlt dann etwas in der Geschichte, in der dort beschriebenen Realität?

Die Frage habe ich mir gestellt, als ich für mein neues Projekt recherchiert habe. Auch in meinem ersten Buch “Zwischenfunken“, welches in New York City spielt, habe ich recherchiert – zum Beispiel zu den Wohnorten der Protagonisten. Wie sieht es dort aus, wer lebt dort, wie hoch ist die Kriminalitätsrate etc. pp. Also, wie ist es, dort zu leben, ohne den Filmglamour, den man sonst vorgesetzt bekommt? Und wie sieht es am Arbeitsort in Manhattan aus? Wie ist die Meinung der Menschen zu Neubauten, Gentrifizierung, wie sehen die Cafés aus, wo gibt es diese? Wo bekommt man die beste Pizza her?

Das sind alles Recherchen und Hintergrundinformationen, die ich natürlich nicht alle in meinen Liebesroman mit aufgenommen habe. Doch trotzdem war es gut zu wissen, wie es in einer Stadt ist, in der ich nicht lebe.

Möchte ich nah an der Realität bleiben oder meinen Vorstellungen einer Stadt, einer Berufsgruppe gerecht bleiben und konzentriere mich auf die zwischenmenschlichen Beziehungen und Probleme, lasse alles andere außen vor?

New York City: Broadway, Wallstreet, Fashion, Upper East Side, Central Park, Romantik, American Way of Life vs. Kriminalitätsbelastete Viertel, Gewalt, Schulschließungen und Umwidmungen in Flüchtlingsunterkünfte, Obdachlose, Drogen und Armut?
Paris: Stadt der Liebe, Croissants, Eiffeltum, Romantik pur, Spaziergänge am der Seine, Besuch im Louvre vs. Überfüllte Metros, genervte Pariser, Touris, so weot das Auge blickt, hohe Preise, eine verdreckte Seine?

Meiner Meinung nach müssen sich Realität und romantisierte Vorstellungen nicht unbedingt ausschließen. Es kommt jedoch darauf an, worauf ich meinen Fokus lege. Ein Liebesroman soll schließlich nicht eine trockenen Abhandlung über die Problematiken einer bestimmten Berufsgruppe oder eines Viertels darstellen, sondern sich darauf konzentrieren, wie das Liebespaar zusammenkommt. Ein Spritzer Realität hier und eine Auseinandersetzung mit “echten” Problemen da können somit die Geschichte ergänzen und dazu beitragen, dass die Figuren mehr als nur ein Gerippe darstellen.

Cowboyromantik und Arbeit mit Pferden, gestählte Körper und Rodeoshows vs. Harte Arbeit, wenig Gehalt, lange Arbeitszeiten und schwere bis lebensgefährliche Verletzungen?
Durchtrainierte, mit der Axt hart arbeitende Holzfäller in Karohemden, in der rauen Natur und den Wäldern Kanadas vs. Arbeit an technischen Geräten und gesellschaftliche Ächtung des Berufes aus Umweltgründen?

Wenn sich mein Liebesroman nicht explizit mit einem Thema wie zum Beispiel der Umweltthematik auseinandersetzt, finde ich es gut, wenn die Problematik zwar angesprochen, jedoch nicht in jedem Kapitel erwähnt wird. Als Leser weiß man Bescheid und hat es im Hinterkopf, reitet der Autor jedoch jedes Mal darauf herum, dann wird es enervierend und führt vielleicht auch dazu, dass man das Buch zur Seite legt.

Es geht also immer um die Balance, und der eigenen Entscheidung, welches übergeordnete Thema ich für mein Buch festgelegt habe.

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